Wasserexport nach Rhein-Main
Bedeutung der aktuellen Diskussion im Klimawandel
Es geht aktuell nicht alleine um den Schutz von Nass- und Feuchtbiotopen in Gewinnungsgebieten durch eine umweltschonende Grundwasserbewirtschaftung, sondern um eine Weichenstellung in der hessischen Wasserwirtschaft. Betroffen davon sind alle Gewinnungsgebiete von Fernwasser für das Rhein-Main-Ballungsgebiet (Vogelsberg, Burgwald, Hessisches Ried, Spessart), aber auch die Wassergewinnung im Ballungsraum selbst.
Gegenwärtig entscheidet sich, ob die Umweltschonende Grundwassergewinnung konsequent umgesetzt und weiterentwickelt wird, oder ob sie zu einem Papiertiger verkommt. Und es entscheidet sich, ob sich die Vereinbarkeit von Wasserversorgung und Naturschutz als langfristige Zukunftssicherung durchsetzen kann. Die aktuellen, betriebswirtschaftlich motivierten Planungen der beteiligten Wasserversorger, die Wasser zur Handelsware degradieren, gefährden diese.
Pläne der Wasserversorger
Konkret ist der ZMW (Zweckverband Mittelhessischer Wasserwerke) vor 10 Jahren ins Wassergeschäft mit dem Rhein-Main-Gebiet eingestiegen, indem er mit einer neuen Fernwasserleitung seine Brunnen an die OVAG-Transportleitung angeschlossen hat. Hauptkunde für Grundwasser aus Stadtallendorf und Wohratal ist die Hessenwasser GmbH, die Fernwasser-Monopolist für das Rhein-Main-Gebiet ist. Nicht einsehbare Verträge bilden hierfür die Grundlage. Der RP Gießen hatte den Leitungsbau genehmigt, obwohl für die angegebene Exportmenge von 2 – 5 Mio. m³/Jahr kein Bedarfsnachweis vorliegt. Er beruft sich bis heute darauf, dass für die Leitung, die eine Transportkapazität von ca. 12 Mio. m³/Jahr erhalten soll, ein privatwirtschaftlicher Liefervertrag ausreichen würde.
Mit einem steigerbaren Dauerbezug von ZMW-Wasser und dem Bau der zweiten Riedleitung kann sich die Hessenwasser GmbH einen Wasserüberschuss verschaffen. Dieser soll ihr u.a. für die Stilllegung wenig profitabler, aber systemrelevanter Wasserwerke z.B. in Frankfurt dienen. Offensichtlich hofft sie dann auch, neue Kunden zu gewinnen. Auch das Abschaffen des umweltschonenden Kriteriums ‚Wassersparen‘, das den Wasserverbrauch pro Person gegenwärtig noch in erträglichen Maßen hält, scheint im Ballungsraum auf der Agenda zu stehen, sobald er Zusatzwasser beziehen kann.
Der ZMW hatte für sein Wasserwerk Wohratal eine Genehmigung für das Exportieren von 2 Mio. m³/Jahr beantragt. Die Förderung dieser Menge wird die Natur in der Wohraaue schädigen. Weitere 3 Mio. m³/Jahr (oder auch mehr) sollen aus Stadtallendorf kommen – auch dort wird nicht umweltschonend gefördert.
Wasserversorgungssituation Rhein-Main
Laut Gutachten ist die Wasserversorgung in Rhein-Main auch ohne ZMW-Wasser gesichert. Ein Risiko für Engpässe besteht lediglich im Fall von tageweisen Verbrauchsspitzen in langen, trockenen Sommern, wenn die OVAG aufgrund von Förderbeschränkungen nur reduziert liefern kann.
Eine zusätzliche Dauerlieferung von ZMW-Fernwasser ist für die Abdeckung von Tagesspitzen nicht geeignet. Bisher werden solche Spitzenbedarfe durch die lokalen Wasserwerke im Ballungsraum selbst bewältigt, die entsprechende Kapazitäten vorhalten.
2002 hat die Stadt Frankfurt ihre Wassergewinnung an die Hessenwasser GmbH übergeben. Diese hat 2011 in einer internen Studie kostenintensive Wasserwerke benannt, die sie schließen möchte, sofern sie mehr Fernwasser, u.a. vom ZMW, beziehen kann. In einer offiziellen Studie 2013 (WRM-Verbundstudie), die die Hessenwasser GmbH zusammen mit dem Hessischen Umweltministerium herausgegeben hat, forderte sie daher die neue Verbindungsleitung zwischen ZMW und OVAG-Netz sowie größere Wasserrechte im Hessischen Ried. Da all dies realisiert wird, wird die Wasserversorgung Rhein-Main in noch größerem Umfang vom Umland zu tragen sein als dies bisher schon der Fall ist.
Konsequenzen
Durch den Betrieb der neuen ZMW-Fernwasserleitung, ist die Abhängigkeit des Rhein-Main-Ballungsraumes von den Fernwasser-Gewinnungsgebieten vergrößert worden. Sollten zudem aus betriebswirtschaftlichen Gründen Wasserwerke in Rhein-Main unwiederbringlich stillgelegt werden, würde die Eigenversorgung des Ballungsraumes im gleichen Maße reduziert und die o.a. Abhängigkeit verstärkt. Zudem würde ein Wasserüberschuss geschaffen, der der Wasserverschwendung, und damit der Umsatzsteigerung der Versorger, Tor und Tür öffnen würde. Umsatzsteigerungen wiederum machen Versorger anfälliger für Privatisierungen.
Für alle Fernwasser-Gewinnungsgebiete besteht nach wie vor das Problem, die volle Last der Ballungsraum-Versorgung tragen zu müssen. Besonders in längeren Trockenzeiten, die durch den Klimawandel verstärkt auftreten dürften, müssten in den Gewinnungsgebieten dann künftige Generationen mit dem Risiko einer Übernutzung der Grundwasservorkommen leben. Den nächsten Generationen im Ballungsraum würde dagegen die Chance auf eine Versorgung aus eigenen Brunnen genommen. Somit stehen sowohl die Chancen für eine langfristige Vereinbarkeit von Trinkwassergewinnung und Naturschutz als auch die umweltschonende Grundwassergewinnung auf dem Spiel.
Forderungen
Die aktuellen Planungen haben Ballungsraum und Fernwassergewinnungsgebiete und damit die Zuständigkeiten von RP Darmstadt und RP Gießen eng miteinander verzahnt. Zudem geht es um nichts weniger als um eine Weichenstellung in der hessischen Wasserwirtschaft. Daher ist die Oberste Wasserbehörde primäre Adressatin unserer Forderungen. Durch seine frühzeitige Positionierung zugunsten der ZMW-Fernwasserleitung hat der RP Gießen wesentliche Auswirkungen des Projektes und alternative Problemlösungen außer Acht gelassen. Dies ist wenig sachgerecht.
Die Wasser-Eigenversorgungspotentiale des Ballungsraumes Rhein-Main sind, aufgrund des dortigen Wasserreichtums, hoch. Sie werden in den aktuellen Planungen viel zu wenig berücksichtigt. Sie sind, gemäß §50 Wasserhaushaltsgesetz vorrangig vor einer Fernwasserversorgung, von den Kommunen zu aktivieren und auszuschöpfen. Eine wichtige Grundlage hierfür sind Schutz, Erhalt und Verbesserung der gebietseigenen Grundwasservorkommen und der Gewinnungs- und Versorgungseinrichtungen. Jede Eigengewinnung im Ballungsraum, auch die von Nicht-Trinkwasser für geeignete Zwecke, entlastet die Gewinnungsgebiete für Fernwasser und damit auch deren Naturraum. Gleiches gilt für die sparsame Wasserverwendung. Beide sind wichtige Kriterien der umweltschonenden Grundwassergewinnung, die vollumfänglich anzuwenden ist.
Die WRM-Verbundstudie aus dem Jahr 2013, aus der die Verfasser u.a. den ZMW-Fernwasserleitungsbau ableiten, ist unter Berücksichtigung einer stärkeren Eigenversorgung des Rhein-Main-Ballungsraumes zu überarbeiten. Die Auslagerung der Verantwortung für die Wasserversorgung des Ballungsraumes in Fernwassergewinnungsgebiete ist in der dargestellten Form nicht plausibel und nicht akzeptabel.
Wie Betroffene die SGV-Arbeit unterstützen können
Besonders Kommunen, die von den großen Grundwassergewinnungen betroffen sind, und deren Bevölkerung sollten sich direkt an die Oberste Wasserbehörde wenden. Die SGV hat dafür eine Erklärung entworfen, mit der sie sich beim hessischen Umweltministerin für eine umweltgerechte Wassergewinnung stark machen können.
Den Textvorschlag für die Erklärung zur Vereinbarkeit von Wasserversorgung und Naturschutz können Sie unter folgendem LINK downloaden. Selbstverständlich steht es Ihnen frei, die Erklärung nach Ihren Vorstellungen abzuändern. SGV-Mitgliedern leisten wir hierbei gerne Hilfestellung. Aber auch anderen Interessierten stehen wir für Rückfragen, am besten per Email, zur Verfügung.
Ein Gedanke zu „Wasserexport nach Rhein-Main“
Kommentare sind geschlossen.